Sind Empfehlungen eher hilfreich oder hinderlich?

Vor einigen Tagen bat mich der SWR 3 um ein kleines Interview zum Thema Empfehlungen.

Als kurze Zusammenfassung und auch für alle diejenigen, die das Interview nicht live verfolgen konnten, habe ich dieses in meinem Blog verpackt.

Falls du das Interview gehört haben solltest, wundere dich bitte nicht. Manches was hier im Text erscheint, wurde leider im Interview rausgeschnitten.

So ist die Beantwortung der dritten Frage – und wie ich finde der wichtigsten Frage – ganz „rausgeflogen“.

 

Ausgangssituation:

SWR 3 „Ein Freund empfiehlt uns etwa: ein Buch, einen Film oder ein Restaurant. Er/sie ist davon total begeistert und baut bei uns eine Erwartungshaltung auf. Wir sehen den Film, lesen das Buch, essen in genau diesem Restaurant und sind enttäuscht.“

 

SWR 3 „Woran liegt es, dass uns dann tolle Dinge eben doch nicht gefallen … obwohl sie tatsächlich gut sind?“

 

MENTAL COACH Marco Wegner

> Empfehlungen sind ja oft gepaart mit einer entsprechenden Euphorie der eigenen Empfehlung gegenüber.

Und Euphorie ist nichts anderes als ein Zustand emotionaler Begeisterung oder gar Berauschung.

Derjenige, der die Empfehlung bekommt, der wird dabei nicht selten emotional überfrachtet.

Der Wunsch des Empfehlens: Du sollst bitteschön genau dasselbe Erlebnis (Gefühl) haben, wie ich … als ich den Film gesehen, das Buch gelesen oder in diesem Restaurant gegessen habe.

Dabei wird gerne vergessen, dass die Empfehlung lediglich ein komprimierter Eindruck und damit eine Komposition von einzelnen tollen Passagen ist, die als großes Ganzes „verpackt werden“. Nicht mehr und nicht weniger.

Doch dasselbe Erlebnis, ja nicht einmal das gleiche Erlebnis, kann der erfahren, der die Empfehlung zu einem späteren Zeitpunkt selbst umsetzt.

Dafür hat er mit dem bewussten oder unbewussten Glaubenssatz zu kämpfen:
Mir muss das jetzt auch gefallen … weil das jetzt total super sein soll … oder was!?

Dieser Druck entsteht zumindest dann, wenn die Empfehlung mein Gefühl von Zugehörigkeit anspricht.

Die Anderen finden das auch toll und wenn ich das jetzt nicht toll finde, finden die mich vielleicht nicht mehr toll.

Dem kann bei dem einen oder anderen so sein, doch das trifft natürlich nicht für jeden zu.

So oder so entsteht bei uns eine sehr hohe Erwartungshaltung der Empfehlung gegenüber.

Das hat dann leider zur Folge, dass wir weder das Buch, noch den Film oder das Restaurant unvoreingenommen wahrnehmen können.

Es fehlt uns jetzt an einem naiven (ursprünglichen) Zugang und an der Leichtigkeit die Dinge einfach zu genießen.

Die Ansprüche sind automatisch auf außergewöhnlich gestellt und damit bleibt jeder positive Überraschungseffekt aus.

Die größte Schwierigkeit bei Empfehlungen ist die forcierte Erwartungshaltung und das gleich mal zwei, – denn die Erwartungs-Erwartung macht noch mehr Druck.

Erwartungs-Erwartung heißt in diesem Fall: Ich erwarte, dass der, der mir die Empfehlung gegeben hat seinerseits erwartet, das ich seine Empfehlung (erwartungsgemäß) toll finde.

Willkommen im Karussell. <<

 

SWR 3 „Welchen Tipp geben Sie denjenigen, die eine Empfehlung aussprechen bzw. wie „verkaufe“ ich meine Empfehlung ohne zu große Erwartungen zu erzeugen?“

 

MENTAL COACH Marco Wegner

>> Als allererstes „empfehle“ ich dringlichst das MUSS rauszulassen.

„Du musst dir unbedingt diesen Film ansehen, du musst genau dieses Buch lesen oder in diesem Restaurant essen gehen“ … hat was von einer missionarischen Manier … a la schlechter Schwiegermutter.

Denn … müssen muss ich gar nichts. Ich muss dir diesen „Gefallen“ nicht tun und schon gar nicht muss ich das tun, um dir zu gefallen.
(siehe hierzu den Punkt der Zugehörigkeit oben)

Ich persönlich gebe lediglich eine Empfehlung, wenn ich danach direkt oder indirekt gefragt wurde, weil es sich aus dem Kontext der Konversation so ergeben hat.

Anders gesagt: Erst wenn das Bedürfnis nach einem Empfehlungswunsch deutlich geworden ist, ist es mir ein liebevolles Anliegen eine entsprechende Empfehlung zu geben.
(Ohne muss natürlich)

Das hat dann auch den Vorteil, das meine ausgesprochene Empfehlung attraktiv und anschlussfähig ist, weil sie das aktuelle Thema dieser Person betrifft.

Es sind also die gegenwärtigen Lebensumstände der anderen Person und nicht meine ungefragten Meinungen, die von Interesse sind.

So generiert sich meine Empfehlung zu einem wirklichen Mehrwert und damit auch zum Nutzen des Fragestellers. <<

 

 

SWR 3 „Welchen Tipp geben Sie denjenigem, der eine Empfehlung erhält. Wie schaffe ich es, meine Erwartungshaltung zu regulieren?“

 

MENTAL COACH Marco Wegner

>> Alles beginnt mit einer Entscheidung, sprich ich frage mich: will ich dieser Empfehlung überhaupt nachkommen? JA oder NEIN.

NEIN: Ich muss die Empfehlung nicht annehmen, es ist ja nur eine Empfehlung.

Fall abgeschlossen … oder zumindest gespeichert und somit auf Eis gelegt

JA: Ich mache mir bewusst, dass meine innere Erwartungs-Haltung alles weitere reguliert.

Solange ich eine Er/wartung pflege, solange befinde ich mich in einer passiven Haltung, – das sagt das Wort schon … er-wartet. – passive statt aktive Haltung

Ich wechsle in eine aktive Haltung und komme so in einen Handlungsmodus.

Dafür lege ich die Brille ab, die der getragen hat, von dem ich die Empfehlung bekommen habe und setze mir meine eigene Brille auf, – um mir mein eigenes Bild zu machen.

Diese Brille ist weder rosarot emotional aufgeladen noch düster dunkel gefärbt.

Diese Brille ist eine Brille der Bewertungsfreiheit.

Ganz im Sinne der Achtsamkeit ermöglicht mir diese Brille eine neutrale, sprich bewertungsfreie Wahrnehmung zuzulassen, – um so die Eindrücke auf mich wirken zu lassen.

Ich mache mir bewusst dass, auch wenn derjenige, der mir die Empfehlung gegeben hat nachfragt, ich mehr als die beiden Optionen zur Antwort habe als Gut oder Schlecht.

Mir ist es gerade durch meine urteilsfreie Beobachtung gelungen, die schönen Dinge für mich positiv zu verwerten statt die Empfehlung zu bewerten.

Das hat mir den Druck genommen und wieder frei gemacht … für meine eigene und anders gefärbte Wahrnehmung.

Diese alltagspraktische Fähigkeit kann jeder in einem Achtsamkeitstraining für sich erlernen.

Sollte mir eine bewertungsfreie Beobachtung noch nicht gelingen, dann kann ich ja zu einer zweiten und anderen Mental-Technik greifen und meinen Fokus gezielt lenken.

Und zwar mit der Technik „To hunt the good stuff“ empfiehlt der MENTAL COACH.

Die Konzentration auf das Lenken was mir gefällt, was mir gut tut und was ich gut gebrauchen kann.

Diese Technik hat viel Ähnlichkeit mit dem Einweckglas der Achtsamkeit (siehe BLOG) und genau hierin liegt auch ihr Vorteil – in der Schulung meiner Wahrnehmung.

Denn am Ende entscheidet MEINE Wahrnehmung über das Buch, den Film, das Restaurant … <<

 

Wie gehst du selbst mit Empfehlungen um?

Oder gibst du sogar gerne Empfehlungen?

Was sind deine Erfahrungen rund um das Thema Empfehlungen?

 

Mitschnitt vom SWR 3

SWR-3-Empfehlungen-17.Juni-2019

 

Autor: Marco Wegner

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