Warum beschenken wir uns eigentlich und welches Risiko müssen wir bei diesem Ritual mit einkalkulieren?
Diese zwei Fragen nehme ich heute aus Sicht von Beziehungsmustern ins Visier.
Ausgangspunkt: Wer schenkt, der kommuniziert und ver/schafft sich so „bindende“ Beziehungen!
Die ökonomische Beziehung:
Etwas zu verschenken, widerspricht ‚eigentlich‘ jedweder wirtschaftlichen Vernunft.
Jeder Mensch kalkuliert seine Kosten und wägt sie mit der Nutzenseite ab.
Nichts ist umsonst. Geben und nehmen. Alles hat seinen Preis.
Doch Geschenke sind aus keiner Gesellschaft wegzudenken.
Auf jede Gabe folgt eine Gegengabe, das ist das Prinzip der Gegenseitigkeit.
Normalerweise unterscheidet man zwischen der „Gabe“ als Geschenk und dem „Tausch“ als Warengeschäft.
Gleichwohl gibt es bereits hier die Kritik der „doppelten Wahrheit“, dass jedes Geschenk, wie harmlos es auch daherkommen mag, immer ein versteckter Tausch ist.
Subjektiv betrachtet, wünschen wir demnach zu glauben, dass der Gebende aus uneigennützigen Motiven gibt.
Objektiv beobachtet, spielt der Vorteil ein nicht unwesentliches Moment.
Spannend ist allerdings, dass wir in Wirklichkeit wissen, „wie der Hase läuft“ und dennoch tun wir oft so, als wäre dem nicht so.
Der Empfänger weiß wohl, dass Geber und Gabe eine untrennbare Einheit bilden und kann seine Dankbarkeit nicht auf Ewigkeit verschieben.
Vielleicht sogar in Form von Vorteilsverschaffung. Immer dann spricht man von Bestechung und Korruption.
Das Geschenk hat Verpflichtungscharakter, denn die offene Schuld will beglichen werden. Kurz: „tit for tat“!
Nichts ist umsonst.
Die emotionale Beziehung:
Ein anderes Schenkmotiv ist der emotionale Wunsch nach Nähe und Geborgenheit.
Das Geschenk drückt jetzt eine persönliche oder sogar intime Wertschätzung aus.
Vertrauen und Verbindlichkeit weben den Weihnachtsmantel gefühlsbetonter Wärme.
Doch das Weihnachtsfest – in verklärter Schenkromantik – brilliert mit seinen Tücken.
Wurde bei der ökonomischen Beziehungsbildung und -bindung noch knallhart eine Kosten-Nutzen-Rechnung aufgestellt und kluger Weise auch klar kommuniziert, so ist genau dieser Gedanke tabu. Hier wird mit Hingabe und nicht mit Hintergedanken geschenkt!?
Man spricht auch von der „reinen Gabe“.
Nun gut, doch beim fast zeitgleichen Beschenken finden unweigerlich Vergleiche statt.
Die Erfüllung von Erwartungserwartungen – unter Liebenden – dienen als Beweis inniger Zuneigung.
Er / Sie: „Ich hatte erwartet, dass du dieses Geschenk erwartest.“
Das Risiko einer Enttäuschung hängt wie ein Damoklesschwert über dem Tannenbaum.
By the way: Nicht selten werden Kinder von ihren Eltern erpresst. Wenn sie dieses oder jenes nicht lassen oder machen, dann wird der Weihnachtsmann nicht das gewünschte Geschenk bringen bzw. im schlechtesten Fall sogar wieder abholen.
Mit einer Gabe ohne Nutzen hat das wenig zu tun.
Ergo:
Schenken ist gar nicht so leicht. Wir müssen wieder lernen, achtsamer mit unseren Erwartungen umzugehen.
Das größte Geschenk ist – meiner Meinung nach – die gemeinsame Zeit.
Frage:
Wie hältst du es mit den besagten Erwartungserwartungen?
In welche „Falle“ bist du schon getappt?
Machst du überhaupt Geschenke?
Siehe auch meinen Blog: „Ich schenke dir Zeit“ und „Die 9 Schenk-Typen Deutschlands“
Autor: Marco Wegner
Quellen:
Mauss, Marcel (1990) Die Gabe. Form und Funktion des Austauschs in archaischen Gesellschaften. Frankfurt a.M.: Suhrkamp
Miklautz, Elfie (2010) Geschenkt. Tausch gegen Gabe – eine Kritik der symbolischen Ökonomie. München / Paderborn: Wilhelm Fink Verlag
Mau, Steffen / Adloff, Frank (2005) Vom Geben und Nehmen. Zur Soziologie der Reziprozität. Frankfurt a.M. / New York: Campus Verlag
Schmied, Gerhard (1996): Schenken. Über eine Form sozialen Handelns. Opladen: Leske + Buderich
Schwaiger, Holger (2011) Senken. Entwurf einer sozialen Morphologie aus Perspektive der Kommunikationstheorie. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft mbH
Strauss, Bernd (2009) Optimiert Weihnachten. Eine Anleitung zur Besinnlichkeits-Maximierung. Wiesbaden: Gaber Verlag